Dieser Beitrag ist zuerst am 01. Februar 2023 auf das-kommt-aus-bielefeld.de erschienen.
In Zeiten des Fachkräftemangels steht der Bereich Human Resources (HR) vor besonderen Herausforderungen. Wie gehen Startups diese Aufgabe an und stärken ihr Employer Branding? Antje Schmitz, Head of People & Culture bei der Trailblazers GmbH, und Katharina Scharping, Team Lead Marketing & HR bei der IMOGENT GmbH, liefern konkrete Lösungen für aktuelle Fragestellungen. Wir haben bei den zwei engagierten Frauen, die im Bielefelder Pioneers Club einen HR-Startup-Stammtisch etabliert haben, nachgefragt.
Das kommt aus Bielefeld: Wie organisieren sich Startups im Bereich Human Resources?
Katharina Scharping: Eigentlich spreche ich lieber von Human Relations als von Human Resources, denn am Ende geht es doch darum, Beziehungen zu knüpfen und die Mitarbeitenden nicht als Ressourcen zu betrachten. Ich bin allerdings ein gutes Beispiel dafür, wie es häufig läuft. Eingestiegen bin ich bei IMOGENT im Marketing und in den Bereich HR hineingerutscht, als die Geschäftsführung den Bereich Personal abgegeben wollte und hier meine Stärken schnell identifiziert hat. Als Team Lead Marketing und HR übernehme ich inzwischen beide Funktionen. Das ist typisch für Startups, die anfangs meist keine explizite Vollzeitstelle für Bereiche wie Personalentwicklung haben. Also schaut man, welche Mitarbeitenden die entsprechenden Kompetenzen und das Interesse mitbringen.
Antje Schmitz: Wir bei The Trailblazers haben früh entschieden, dass wir eine feste Stelle im Bereich HR besetzen wollen. Als ich vor gut einem Jahr als Head of People & Culture anfing, waren wir als Startup gerade mal ein Jahr alt und noch unter 10 festen Mitarbeiter*innen. Ich habe den Bereich sukzessive aufgebaut und konnte dabei auf meine Erfahrung aus der Founders Foundation zurückgreifen. Hier war ich bereits im Startup-Umfeld unterwegs und kann mich dadurch so gut in die Young Talents hineindenken. Durch meine bisherigen beruflichen Stationen weiß ich auch, was die erfahrenen Mitarbeiter*innen von einem modernen Arbeitgeber erwarten. Diese Mischung hilft, unseren HR-Bereich weiter aufzubauen und immer wieder zu justieren. Gerade die Flexibilität im Kopf ist wichtig, wenn du in einem Startup den Bereich komplett von null aufbaust.
Katharina Scharping: Die Affinität und das Interesse für das Thema HR muss man natürlich mitbringen. Aber man ist auch auf Input von außen angewiesen und muss neue Gesetze und Regularien im Blick behalten. Gerade durch Corona und Remote Work gibt es zum Beispiel neue Richtlinien, die man berücksichtigen muss.
Das kommt aus Bielefeld: War das auch der Anlass für die Gründung des HR-Startup-Stammtisches in Bielefeld?
Katharina Scharping: Ja, definitiv. Der HR-Startup-Stammtisch ist immens wichtig, um auf dem Laufenden zu bleiben. Da Personalthemen in Startups häufig nur von einer Person organisiert werden, ist es wichtig, ein Netzwerk aufzubauen. Im Unterschied zu etablierten Unternehmen verfügen Startups beispielsweise nicht über eigene Arbeitsrechtler. Wir mussten zum Glück noch keinen konsultieren, aber auch in dieser Hinsicht ist das Netzwerk des Stammtisches unbezahlbar, um rechtliche Rahmenbedingungen abzustimmen.
Antje Schmitz: Das wachsende Netzwerk und der damit verbundene Austausch sind eine wichtige Basis. Unser Stammtisch lebt von Synergien! Im Gespräch mit anderen Startups merke ich immer wieder, dass es anderen ähnlich geht und es sich um die gleichen Fragen dreht. 80 Prozent der HRler*innen hier sind Quereinsteiger, genau wie ich. Aber das spielt hier eine untergeordnete Rolle, denn am Ende zählt die Leidenschaft. Wie sehr will ich dem Team neue Möglichkeiten, neue positive Energie geben? Die Themen unseres Stammtisches sind breit gefächert: von Recruiting und Employer Branding über die Arbeit mit Freelancern, der Suche nach Azubis bis hin zu Legal Topics wie Zeiterfassung und Benefits.
Katharina Scharping
Team Lead Marketing & HR, IMOGENT GmbH
Katharina Scharping
Team Lead Marketing & HR, IMOGENT GmbH
Katharina Scharping: Die Dynamik des Stammtisches entspricht der Arbeitsweise eines Startups. Nicht top-down, sondern co-creative, so wie auch Startups funktionieren. Jeder trägt etwas dazu bei, von der Geschäftsführung bis zum/r Praktikant*in.
Antje Schmitz: Das bedeutet auch, dass wir für jeden offen sind, der sich mit seinem Wissen einbringen möchte. Wir wollen hier ein Umdenken etablieren, das weit über die Startups hinausgeht und auch den Mittelstand in OWL erreicht. So erreichen wir eine Win-win-Situation für alle.
Das kommt aus Bielefeld: Wie können etablierte Unternehmen von Startups lernen?
Antje Schmitz: Etablierte Unternehmen können von Startups lernen, wie wichtig es ist, die Meinung aller einzubinden. Das Stichwort ist Feedbackkultur. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viel zu oft in Unternehmen noch ein „alter Wind“ durch die Flure weht. Nur wenn wir eine offene Feedbackkultur fördern, können wir wahrhaftiges Feedback bekommen, das uns als Team, aber auch als Unternehmen, weiterbringt. Dazu gehört auch, dass wir nicht in Rollen, Titeln oder Verantwortlichkeiten denken. Jeder trägt hier Verantwortung und es ist egal, ob eine 23-jährige Kollegin etwas verändern möchte oder einer der Geschäftsführer. Dieses Mindset herrscht in etablierten Unternehmen leider noch zu wenig vor.
Antje Schmitz: Wir haben ein ähnliches Format, ebenfalls quartalsweise. Dazu gibt es einen Leitfaden und auch regelmäßig Schulungen, wie man konstruktives Feedback gibt und annimmt. Kritik anzunehmen, muss man erst mal ordentlich lernen.
Katharina Scharping: Darüber hinaus haben wir unsere Unternehmenswerte definiert, insgesamt sechs. Dazu zählen unter anderem eine offene Fehlerkultur, ein respektvoller Umgang und auch Wertschätzung. Erfolge sollen gefeiert werden. Diese sollen verinnerlicht und gelebt werden.
Das kommt aus Bielefeld: Was machen Startups anders als etablierte Unternehmen?
Katharina Scharping: Die Boomer schimpfen häufig auf die neue Generation der Millennials und der Gen Z, statt ihnen zuzuhören. Eigenverantwortung statt durch Politik geschaffene Ineffizienz ist heute gefragt. Die neue Generation arbeitet diverser, agiler, interdisziplinärer – man ist einfach kreativer, wenn man mehr Freiheiten hat. Noch dazu punkten Startups mit ihrer Remote-Kultur. Wenn sich etablierte Unternehmen mit zwei Homeoffice-Tagen brüsten, lacht sich die Gen Z kaputt. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir arbeiten inzwischen zu 100 Prozent remote und haben bei Bedarf die Möglichkeit aus dem Pioneers Club zu arbeiten. Benefits sind ein weiteres Beispiel dafür, wie schnell und flexibel Startups agieren. Wir haben zum Beispiel für Mitarbeitende, die für ein paar Wochen im Jahr im Ausland arbeiten und leben wollen, eine Workation-Guideline entwickelt und haben dies innerhalb eines Meetings beschlossen und zeitnah umgesetzt. Das dürfte in einem Konzern deutlich länger dauern.
Antje Schmitz: Teil unseres Feedbacks-Formats sind auch inhaltliche und persönliche Ziele, die wir auch quartalsweise besprechen. So arbeitet nicht „jeder vor sich hin”, sondern hat immer wieder Etappenziele, die zusätzlich motivieren. Wir schauen sehr viel auf die einzelnen Personen und die individuellen Bedürfnisse. Wir haben viele Mitarbeitende auch außerhalb Bielefeld, so dass es per se unterschiedliche Bedürfnisse gibt. Diesen müssen und wollen wir gerecht werden. Deshalb sind wir sehr auf jeden Einzelnen fokussiert. Unternehmen denken oft hierarchisch und fragen den Teamleiter: Und, wie läuft dein Team? Da geht es wenig um die einzelnen Personen.
Antje Schmitz
Head of People & Culture, The Trailblazers
Katharina Scharping: Genau! Denn die Ziele entstehen aus dem Team heraus, das die Vision verinnerlicht, die Mission und den Purpose versteht. Ein Unterschied zu etablierten Unternehmen ist sicherlich auch die transparente Kommunikation in einem Startup. Das gesamte Team weiß um die Prozesse und wird nicht vor vollendete Tatsachen gestellt. Dafür sorgen auch die Team-Meetings.
Das kommt aus Bielefeld: Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für den Bereich Human Resources?
Antje Schmitz: Wir wollen alle gemeinsam, zur gleichen Zeit mit auf die Reise nehmen. Dafür müssen wir immer wieder Mitarbeitende einzeln abholen, das ist zeitaufwendig – ohne Frage. Aber die Arbeit lohnt sich! Eine besondere Challenge ist, dass wir in Deutschland verstreut sind, einer unserer Geschäftsführer und Gründer, Kristof Albrink, sitzt zum Beispiel in Berlin, unser Textchef in Hamburg und wieder andere Mitarbeitende in Freiburg und München. Deshalb braucht es auch physische Treffen und regelmäßige Team-Events. Wir wollen als Team zwischenmenschlich weiterwachsen, das ist ein stetiger Prozess.
Katharina Scharping: Das heißt aber auch, dass wir bereits beim Recruiting darauf achten, ob sich jemand mit unseren Werten identifizieren kann. Daher beschreiben wir die Stellen sehr genau und nach vier Wochen findet bereits ein erstes Feedback-Gespräch statt, in dem wir sicherstellen, dass die Vorstellung von der Stelle und die Realität nicht auseinanderklaffen. Darüber hinaus achten wir beim Recruiting-Prozess nicht so sehr auf Lebensläufe, Anschreiben fordern wir schon lange nicht mehr, sondern versuchen möglichst diverse Teams zu schaffen. Durchlässige Strukturen führen dazu, dass die Ideen von allen Teammitgliedern zum besten Ergebnis führen. Hier ist Herausforderung ein gutes Feingefühl zu entwickeln, um einen Teamfit schnell zu identifizieren.
Weitere Informationen:
Interviewpartner: Antje Schmitz, The Trailblazers und Katharina Scharping, IMOGENT – in einem Interview mit Corinna Bokermann, Journalistin für Das kommt aus Bielefeld